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Ein Risiko kann definiert werden als ein Ereignis mit der Möglichkeit negativer Auswirkungen (siehe Wikipedia).

Eine Risikobetrachtung führen Sie durch um den Fortbestand Ihres Betriebes, Gewerbes oder Unternehmens sicher zu stellen. Möglicherweise sehen Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht und haben das Gefühl daß es Umstände gibt die außerhalb Ihrer Kontrolle liegen oder Risiken noch nicht erfasst haben. Zur Risikobetrachtung gibt es viele Methoden wie zum Beispiel die Ereignisbaum-Analyse, Fehlerbaum-Analyse, qualitative oder quantitative Risikoanalyse. Sofern man sich im Anschluß um die Risiken kümmert spricht man insgesamt von Risikomanagement.

Methode eines Rückversicherers

Ein weltweit tätiger großer Rückversicherer veröffentlichte eine Methode zur Risikobestimmung, welche ähnlich zu diversen Methoden im IT-Umfeld ist. Diese Methode stellt eine qualitative Risikobestimmung dar. Sie ermittelt Risiken nicht nach Geldverlust oder einer genauen Häufigkeit (z.B. Tage, Jahre, quantitativ), sondern verwendet Sprache um Schaden und Wahrscheinlichkeit zu definieren. Diese Methode (ZHA: Zürich Hazard Analysis) verwendet Werkzeuge die sich jeder zurecht legen kann. Es ist keine spezielle Software nötig – man benötigt lediglich einen Satz von Dokumentenvorlagen. Das eigentliche Geheimnis dieser Methode liegt in der Zusammenstellung der richtigen Teilnehmer zur Analyse durch welche eine folgerichtige Risikoerfassung und anschließende Risikovermeidung, -minimierung, -verschiebung oder Risikoakzeptanz möglich wird.

Risiken bestimmen

Viele Unternehmer verlassen sich auf ihr „Bauchgefühl“ und gehen damit bereits das erste Risiko bewusst ein. Es erscheint praktikabel Risiken strukturiert zu ermitteln um mit ihnen erfolgreich umgehen zu können. Anhand des nachfolgenden Beispiels einer Bäckerei kann man verstehen wie die Zürich Havard Analyse funktioniert.

Rahmen festlegen

Der Rahmen bestimmt alle Betrachtungsgegenstände sowie die Abgrenzung nach außen. Eine Bäckerei möchte heraus bekommen welches ihre potentiellen Risiken in den Bereichen des Betriebes und der Finanzen sind. Dazu zählen die Bäckereianlagen, das Gebäude, die Kunden als auch die Lage. Die Analyse sollte innerhalb von einem Tag durchgeführt werden was mit der ZHA Methode durchaus zu schaffen ist. 

Team definieren

Das Team welches die Analyse durchführt sollte sich möglichst aus Personen aus allen Bereichen zusammen setzen. Bei dem Beispiel der Bäckerei waren lediglich der Bäcker, seine Frau sowie der Lehrling anwesend. Mehr Angestellte hat dieser Betrieb nicht.  Die ideale Teamgröße liegt bei vier bis sieben Personen um ein breites Wissen sowie viele Ansichten an einen Tisch zu bekommen.

Gefahren finden und untersuchen

Am Tag der Analyse treffen sich die drei sowie ein ZHA erfahrener Moderator in den Räumen der Bäckerei. Der Moderator leitet die Brainstorm-Sitzung und benötigt lediglich ein Notizbuch sowie einen Katalog von provokanten Schlüsselwörtern damit das Team möglichst viele potentielle Risiken finden kann. Es findet die folgenden Themen:

  • Überflutung
    Die Frau des Bäckers erwähnt das Ihr Onkel sein Lebensmittelgeschäft für zwei Monate schließen musste nachdem der übergetretene Fluss das Ladengeschäft überflutet hatte. Nach den zwei Monaten war er bankrott. Sie hat Sorge das das selbe der Bäckerei passieren könnte weil in unmittelbarer Nähe ein kleiner Fluß liegt.
  • Explosion
    Die Bäckerfamilie plant die alte Heizungsanlage durch eine neue auszutauschen. Der Architekt riet ihnen den Gastank in einem kleinen Raum nahe der Bäckerei aufzustellen.
  • Gesundheit
    Der Auszubildende beklagt sich über Rückenschmerzen die insbesondere entstehen wenn er die schweren Mehlsäcke die Treppe hoch tragen muss. Er befürchtet dass es zu schwereren Schäden kommen könnte da auch sein Vater schon mit dreißig Jahren seinen Job als Landwirt aufgeben musste weil er einen Bandscheibenvorfall hatte.
  • Hygiene
    Erst kürzlich musste ein Restaurant in der Nähe schließen weil zehn Gäste mit einer Salmonellenerkrankung ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Sie hatten Tiramisu gegessen und es wurde auf frische Eier Produkte aus dem Restaurant zurück geführt. Nur kurze Zeit später musste eine andere Bäckerei wegen Küchenschaben seinen Betrieb für eine Woche einstellen. Der Bäcker konnte sich nicht erklären wo die Tiere her gekommen waren aber die Vermutung lag nahe das eine verunreinigte Lieferung die Quelle gewesen könnte.

Gefahrenkatalog zusammen stellen

Das Team strukturiert die zuvor genannten Gefahren in einer einfach zu verstehenden Art und Weise. Dabei wird jede Gefahr mit den Fragen nach „was“ und „wo“ in der linken Spalte einer Tabelle aufgeführt. Daneben werden die Auslöser (Trigger) notiert. Sie werden ermittelt indem nach dem „wie“ und „warum“ gefragt wird. Weiterhin wird der sich daraus ergebende „Effekt“ auf den Betrachtungsgegenstand notiert. Diesen ermittelt man indem man nach „wie groß“, „wie schwer/schlimm“ oder „wie viel“ fragt. Abgerundet wird die Tabelle in den beiden letzten Spalten noch durch „Schweregrad“ sowie „Wahrscheinlichkeit“ zur Beschreibung der Auswirkung auf die Bäckerei. Dazu bedient man sich einer qualitativen Bewertung und legt zuvor im Teamgespräch diese Klassifizierung fest. Der Schweregrad kann zum Beispiel in Stufen von 1 bis 4 gemessen werden wobei 1 besonders schwer oder hart für die Bäckerei ist. Die Wahrscheinlichkeit kann in Stufen von A bis F angegeben werden wobei A eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit darstellt.

Das Team kann sich zunächst damit schwer tun diese Klassen fest zu legen bzw. für die jeweiligen Szenarien zu bestimmen. Deshalb führt man die Bewertung am Besten erst durch nachdem alle Gefahren, Auslöser und Effekte erfasst worden sind. Dann beginnt die Abschätzung relativ, das bedeutet das es nur darauf ankommt die verschiedenen Szenarien zu vergleichen. Schätzt das Team die Auswirkung auf die Bäckerei bei einem Szenario schlimmer als bei einem anderen Szenario ein, so muss einfach eine höhere Klassifizierung (also näher in Richtung Buchstabe A) vergeben werden. Sollte man mit seiner Klassifizierung mit einem Szenario am „Limit“ angekommen sein und ist der Meinung das es eigentlich viel schlimmer zuschlagen würde als alle anderen Szenarien – es aber keine höhere Klassifizierung gibt – dann müssen die Bewertungen nochmal überarbeitet und alle nachgezogen werden.

Folgende Tabelle zeigt ein Beispiel einer Gefahren-Szenario-Zusammenstellung:

ZHA Gefahren Katalog
Nr. Gefahr
(was / wo)
Auslöser
(wie / warum)
Auswirkung (wie gross / schlimm / viel) S1  W2 
1. Kleiner Fluß 10m neben dem Haus Starke Regenfälle führen zur Überflutung Wasser dringt in die Bäckerei ein
Ernste Schäden an Einrichtung

Geschäft is unterbrochen
III D
2. Gasbehälter für Zentralheizung nahe am Backofen Entzündung bei Gasleck Explosion
Haus zerstört

Todesfälle
I C
3. Schwere Mehlsäcke Häufiges tragen der Mehlsäcke, Familien Veranlagung Rückenschmerzen Chronische Schmerzen
Bandscheibenvorfall

Arbeitsaufgabe
II D
4. Verunreinigung von angelieferter Produkte Krankheitsfälle durch Verunreinigung Entschädigungszahlungen
Vorübergehende Schließung durch Gesundheitsamt

Image Schaden
II E

 S := Schweregrad (1-4, 1 sehr hoch)
W:= Wahrscheinlichkeit (A-F, A sehr hoch)

Risikotoleranzgrenze festlegen

Dann stellt das Team ohne Berücksichtigung der zuvor ermittelten Szenarien die Toleranzgrenze für Risiken fest. Die Grenze teilt zwischen tolerierbaren Risiken (Akzeptanz) und entsprechend nicht tolerierbaren Risiken (mit denen gearbeitet werden muss). In einer Matrix sieht das folgendermaßen aus:

Risikotoleranz

Anschließend fügt das Team alle Szenarien durch kleine Zahlen in die Tabelle ein. Nun werden alle Szenarien die „unterhalb“ der Toleranzlinie liegen genau begutachtet und besprochen. Das Team muss sich mit diesen Szenarien abfinden und sie akzeptieren können. Sollte es für ein Szenario nicht angemessen erscheinen wird die durchgeführte Bewertung (insbes. der Schweregrad) überprüft und korrigiert.

Maßnahmen

Nun werden die umzusetzenden Maßnahmen bzw. Verbesserungen diskutiert. Alle Risiken (bzw. Szenarien) oberhalb der Toleranzlinie werden betrachtet, beginnend mit den Szenarien die das höchste Risiko, also am weitesten oben rechts in der Tabelle. Das Vorgehen ist dabei wie folgt:

  1. Ist es möglich die Gefahr komplett zu eliminieren?
  2. Wenn 1 nicht hilft: kann die Wahrscheinlichkeit (der Auslöser) verringert werden?
  3. Wenn 2 nicht hilft: kann der Schweregrad bzw. die Schadenhöhe verringert werden?
  4. Wenn 3 nicht hilft: können Schutzmaßnahmen weiter helfen?
  5. Wenn nichts weiter hilft: kann die Auswirkung oder das Ausmaß begrenzt werden? 

Dieses Vorgehen oben folgt dem typischen Risiko-Behandlungsschema: Eliminieren, Mitigieren, Übertragen, Tolerieren. Ein Risiko kann zum Beispiel übertragen werden indem man den Betrachtungsgegenstand oder auch nur Teile daraus versichert.

Die Ergebnisse werden in einem Risiko-Behandlungs-Katalog festgehalten:

Risiko-Behandlungs-Katalog
Nr. Risko Maßnahme durch/Datum
2. Gasspeicher für Zentralheizung nahe zum Ofen Alternativen Aufstellungsort mit Architekt diskutieren Chef/
Mai, 2015
3. Gewicht der Mehlsäcke – chronische Schmerzen, Bandscheibenvorfall Mehl in kleineren Gebinden kaufen
Prüfen ob Mehlsäcke richtig getragen werden

Zu zweit tragen

Doktor aufsuchen

Gewichtstraining
Frau/
Mai, 2015

Maßnahmen Einführen

Die Risikoanalyse soll dabei helfen die identifizierten Risiken zu managen. Doch nun ist Aktion gefragt und der Bäcker und seine Frau müssen die Maßnahmen umsetzen um die Risiken für ihr Geschäft zu minimieren. Nur der jeweilige Prozesseigner, also die Person die eine Aufgabe übernommen hat, kann die Verbesserungen durchsetzen.

Kontrolle

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – so der russische Politiker Lenin. Maßnahmen sollten protokolliert und anschließend die erwartete Reduktion von Risiken überprüft werden. Das Bäckerei-Team entscheidet sich ein Jahr später erneut zusammen zu setzen um die Maßnahmen zu begutachten, die Ergebnisse zu diskutieren und insbesondere die Risiken auf Vollständigkeit zu überprüfen. Gerade weil die Rahmenbedingungen wie Kundschaft, Brötchen der Konkurrenz, Preise sich permanent ändern ist es zwingend notwendig seine Analyse periodisch zu überprüfen.